Für alle Todesfälle ab dem 17. August 2015 gilt die im Jahre 2012 verabschiedete EU-Erbrechtsverordnung. Sie regelt insbesondere die Frage, welche nationale Rechtsordnung auf einen Erbfall mit Bezug zu mehreren Staaten (z.B.: ein mit letztem Wohnsitz in Köln verstorbener Spanier hatte Vermögen in Spanien, Frankreich und Deutschland) Anwendung findet und welcher Mitgliedstaat mit seinen Gerichten und Behörden für erbrechtliche Angelegenheiten mit Auslandsbezug international zuständig ist. Darüber hinaus führt die EU-Erbrechtsverordnung das sogenannte Europäische Nachlasszeugnis (kurz: „ENZ“) ein, das in allen 25 EU-Mitgliedstaaten, die an die Verordnung gebunden sind – nur Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich nehmen an dieser Maßnahme der justiziellen Zusammenarbeit nicht teil – als einheitlicher Nachweis der Stellung als Erbe, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass und Testamentsvollstrecker verwendet werden kann.
Selbstverständlich ersetzt das Europäische Nachlasszeugnis nicht die nationalen Erbnachweise, wie den deutschen Erbschein (bzw. das deutsche Testamentsvollstreckerzeugnis), den französischen acte de notoriété und die spanische declaración de herederos abintestados bzw. den spanischen acta de notoriedad. Die in Köln ansässigen Erben haben stattdessen die Wahl, ob sie in Fällen, in denen der Erblasser Vermögen z.B. in Frankreich oder Spanien hatte, nunmehr einen Erbschein beantragen, dessen Verwendbarkeit in anderen Ländern nach wie vor im Einzelfall geprüft werden muss, oder ein Europäisches Nachlasszeugnis, welches in 25 EU-Mitgliedstaaten unmittelbar eingesetzt werden kann. Das Europäische Nachlasszeugnis ist auch deshalb eine interessante Alternative, weil es über den ursprünglichen Regelungszweck hinaus nicht nur für das im Ausland hinterlassene Vermögen gilt, sondern gleichermaßen für denjenigen Teil des Nachlasses, der sich in Deutschland befindet, also z.B. die Wohnung oder das Haus in Köln, die Konten bei deutschen Kreditinstituten usw.
Ausgestaltet wurde das Europäische Nachlasszeugnis in weiten Teilen nach dem Vorbild des bewährten deutschen Erbscheins. Jedoch weisen die EU-weit einheitlichen Formulare zur Beantragung und zur Erteilung des Nachlasszeugnisses schon angesichts der 25 betroffenen nationalen, teils stark voneinander abweichenden Erbrechtsordnungen naturgemäß eine hohe Komplexität auf. Bereits ohne Hinzutreten von Besonderheiten erstreckt sich allein das Antragsformular für den Erben eines ledigen Erblassers auf immerhin 7 Seiten. Durch das Hinzutreten güterrechtlicher Fragen bei verheirateten oder in eingetragener Lebenspartnerschaft gebundenen Erblassern werden Komplexität (und Textumfang) der Formulare noch verstärkt. Denn bei verheirateten und verpartnerten Erblassern spielt der Güterstand für die Frage, welche gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechte bestehen, nicht nur in Deutschland, sondern in nahezu allen europäischen Rechtsordnungen eine maßgebliche Rolle. Besonders anspruchsvoll ist die Prüfung, wenn neben dem deutschen Erbrecht (des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers) bzw. dem von ihm gewählten Erbrecht seiner (ausländischen) Staatsangehörigkeit ein ausländischer Güterstand anwendbar ist. Dies kommt z.B. in Betracht, wenn ein aus Frankreich stammendes Ehepaar vor seinem Umzug nach Köln einen Ehevertrag (contrat de mariage) vor einem Notar in Paris geschlossen und darin bestimmt hat, dass für die ehelichen Vermögensverhältnisse das französische Güterrecht und ggf. der gesetzliche Güterstand der sog. Errungenschaftsgemeinschaft (communauté réduite aux acquêts) gelten soll.
Als Notare in Köln sind wir selbstverständlich nicht nur Ansprechpartner für die Nachlassabwicklung (einschließlich Erbauseinandersetzung) und die Beantragung von Erbscheinen, Testamentsvollstreckerzeugnissen und Europäischen Nachlasszeugnissen zur Verwendung in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten sowie Drittstaaten. Vielmehr beraten und unterstützen wir Sie gleichermaßen bei Fragen zur Verwendung von ausländischen Erbscheinen in Deutschland und zum hiesigen Einsatz von Europäischen Nachlasszeugnissen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat erlassen worden sind – sei es gegenüber dem Grundbuchamt, dem Handelsregister oder sonstigen Stellen.
Weitere Details zur EU-Erbrechtsverordnung – vor allem mit Blick auf die Nachlassplanung durch notariellen Erbvertrag und Testament – sind hier abrufbar.