Ehe international

Ehe international

Harmonisiertes Recht für bi-nationale Ehen?

Am 16. März 2011 hat die Europäische Kommission ihre Verordnungsvorschläge zur Harmonisierung des für Eheleute und eingetragene Lebenspartner geltenden Güterkollisionsrechts vorgestellt. Mit diesen Legislativmaßnahmen soll insbesondere gewährleistet werden, dass sämtliche Gerichte und sonstige öffentliche Stellen innerhalb der Europäischen Union auf Partnerschaften mit sog. Auslandsbezug stets dasselbe nationale Recht anwenden. Ein solcher Auslandsbezug kann zum Beispiel darin bestehen, dass die Verlobten oder Eheleute 

1. nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben oder hatten bzw. über verschiedene Staatsangehörigkeiten verfügen oder verfügten (sog. bi-nationale Paare)

2. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Staaten haben oder hatten

3. über Vermögen im Ausland verfügen. 

Dagegen spielt der (etwa aus touristischen Motiven gewählte) Ort der Eheschließung eine allenfalls untergeordnete Rolle, soweit die Eheleute entweder eine gemeinsame Staatsangehörigkeit haben oder jedenfalls nach der Eheschließung einen gemeinsamen Wohnsitz errichten. Eine Besonderheit gilt dagegen für gleichgeschlechtliche Ehen, die in Deutschland als eingetragene Lebenspartnerschaften qualifiziert werden (vgl. Lebenspartnerschaft international).

Handlungsbedarf für Verlobte und Eheleute mit Auslandsbezug

Bis heute sehen die unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Vorschriften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (sowie in Drittstaaten außerhalb der EU) voneinander abweichende Regelungen darüber vor, welche nationale Rechtsordnung auf eine Ehe mit Auslandsbezug Anwendung findet. Hieraus ergeben sich Friktionen, die zu erheblicher Rechtsunsicherheit und vor allem im Falle der Scheidung zu mitunter unerwarteten und schlimmstenfalls gar beliebigen Ergebnissen führen können. Der Bedarf für (zumindest) europaweit einheitliche Regelungen über das Güterkollisionsrecht liegt damit auf der Hand. Der konkrete Inhalt der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Legislativmaßnahmen wird angesichts der Komplexität der Materie sowie politischer Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlichen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften nach wie vor teils kontrovers diskutiert. Wann mit einer Verabschiedung der Verordnungen gerechnet werden kann, lässt sich daher zum heutigen Zeitpunkt nicht abschätzen.

Für Paare, die eine Ehe mit Auslandsbezug bereits eingegangen sind bzw. dies beabsichtigen, besteht jedoch auch vor dem Inkrafttreten des harmonisierten Güterkollisionsrechts auf jeden Fall Handlungsbedarf, und zwar nicht nur im Bereich des ehelichen Vermögensrechts (sog. Güterstand), sondern auch in vielen anderen Bereichen des ehelichen Zusammenlebens, die sich aus der juristischen Perspektive insbesondere in die folgenden Materien aufteilen lassen:

1. das auf den ehelichen Unterhalt anwendbare Recht

2. das auf den Versorgungsausgleich anwendbare Recht

3. das auf eine Scheidung anwendbare Recht.

Für alle diese Fragen gestattet das geltende – größtenteils bereits harmonisierte – Kollisionsrecht schon heute sog. Rechtswahlen, mit denen die Verlobten bzw. Eheleute das jeweils anwendbare nationale Recht (etwa ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres gewöhnlichen Aufenthalts) wählen können. Dadurch kann verhindert werden, dass durch den (gemeinsamen oder einseitigen) Wegzug in einen anderen Staat fortan eine andere Rechtsordnung zum Beispiel den Unterhalt regelt und schlimmstenfalls demjenigen Ehegatten, welcher die Partnerschaft beenden möchte, in der Trennungsphase ein sog. forum shopping erlaubt, also die Auswahl des für ihn günstigen Gerichtsstands. 

Sonderfall: Common Law-Länder wie Großbritannien

Erhöhter Beratungsbedarf besteht darüber hinaus bezogen auf solche (europäische oder außereuropäische) Rechtsordnungen, in denen die in Kontinentaleuropa üblichen Eheverträge zur Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten, aber auch zur Festlegung des anwendbaren Rechts nicht bekannt sind und vor diesem Hintergrund – wenn überhaupt – allenfalls sehr eingeschränkt anerkannt werden. Dieser insbesondere für England und Wales geltende Befund ist unerfreulich, stellt jedoch die Notwendigkeit ehevertraglicher Regelungen keineswegs in Frage. Im Gegenteil: Besteht bereits vor Eheschließung ein Bezug zu einem Common Law-Land oder die Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher im Laufe der Ehe eintritt (insbesondere durch späteren gemeinsamen Umzug beider Ehegatten oder auch nur eines Ehegatten – sei es zum alleinigen Zwecke der Scheidung – zum Beispiel nach England), so bedarf es über das für Kontinentaleuropa gebotene Maß hinaus besonderer Vorkehrungen, damit böse Überraschungen in einem Scheidungsverfahren in London möglichst ausbleiben. Denn insbesondere besteht die Gefahr, dass englische Gerichte – sobald sie sich für international zuständig erachten – ohne Rücksicht auf Rechtswahlvereinbarungen stets das eigene Familienrecht anwenden, das verbindlichen ehevertraglichen Regelungen, wie sie in Kontinentaleuropa üblich sind, äußerst zurückhaltend gegenübersteht.

Der islamische Ehevertrag

Besonderer Gestaltungen bedarf es auch für solche Eheleute und Verlobte, die – sei es durch ihre Staatsangehörigkeit, sei es durch einen bereits geplanten oder möglichen Umzug zum Beispiel nach Jordanien, Saudi-Arabien oder in die Vereinigte Arabische Emirate – Bezug zu einem Staat haben (werden), dessen Familienrecht muslimisch geprägt ist. Die Notwendigkeit, einen entsprechenden Ehevertrag in Deutschland unter zusätzlicher Berücksichtigung des islamischen Rechts zu errichten, ist vor allem zur Gewährleistung der Rechte der Ehefrau (Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder, Recht auf Ausübung einer Erwerbstätigkeit, Recht auf Aufenthaltsbestimmung, Recht auf Beantragung der Scheidung usw.) von zentraler Bedeutung, insbesondere in solchen Fällen, in denen die Heirat mit einem muslimischen Mann beabsichtigt ist und der spätere Umzug in ein muslimisch geprägtes Land geplant ist oder möglich erscheint.

Bedeutung des Ehegüterrechts für den Nachlass

Schließlich sollten alle Verlobten und Eheleute, deren Partnerschaft eine internationale Dimension aufweist, berücksichtigen, dass die Frage, welches nationale Güterrecht für ihre Ehe gilt und welcher konkrete Güterstand auf sie Anwendung findet, insbesondere aus deutscher Perspektive erhebliche Auswirkungen auf den Nachlass bei Versterben eines Ehegatten hat. Details zu dem in 22 EU-Mitgliedstaaten geltenden Erbrecht sind auf dem multilingualen Erbrechtsportal unter www.successions-europe.eu/?lang=en abrufbar. Einen ersten Überblick über das Güterrecht der 28 EU-Mitgliedstaaten bietet das ebenfalls multilinguale, unter www.couples-europe.eu abrufbare Güterrechtsportal.

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